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Professioneller Kopfstand

Bestimmt hat jeder, der regelmässig mit einer Oberfräse arbeitet, diese schon einmal umgedreht und ein Werkstück auf die Art bearbeitet. Wenn man die Methode weiterdenkt, entstehen Mini-Kehlmaschinen, die genauso vielseitig sein können.

Beginnen wir mit einer nicht ganz so ernst gemeinten Frage: Wenn die Oberfräse umgedreht benutzt wird, wird sie dann eigentlich zur Unterfräse?

Darüber haben sich wohl die wenigsten mal Gedanken gemacht. Für die meisten Schreiner gehört die Oberfräse auch nicht (mehr) zu den wichtigsten Maschinen in der Werkstatt. Längst haben sich Fräsarbeiten wie Taschen, Ausschnitte oder Bögen auf die CNC verlagert.

Je benutzerfreundlicher und vielseitiger die CNC-Technik wurde, desto mehr Frässchablonen, Anschläge und Hilfsmittel für die Oberfräse landeten im Schrank oder verschwanden gar ganz aus der Werkstatt. Da scheint es nicht zu verwundern, dass die Frästische, oder auch Tischoberfräsen genannt, für die Schreinereien hierzulande weniger ein Thema zu sein scheinen. Dabei kann ein solcher Frästisch eine praktische Ergänzung in der Werkstatt sein, wenn er richtig eingesetzt wird.

Ergänzung für den Bankraum

Mit der entsprechenden Ausstattung an Anschlag und Sicherheitsvorrichtungen kann an der Tischoberfräse gearbeitet werden wie an der Kehlmaschine. Gleichzeitig nimmt die Maschine aber vergleichsweise wenig Platz ein. Deshalb ist sie hervorragend für den Einsatz im Bankraum geeignet. Die Wege können so besonders kurz gehalten werden, und die Lärmbelastung ist im Vergleich zu einer Kehlmaschine gering. Besonders bei Fälzen, Fasen und Rundungen an kleinen Werkstücken ist die Bearbeitung an der Tischfräse effizient.

Erschwingliche Vielfalt an Fräsern

Als Werkzeuge können dieselben Schaftfräser verwendet werden, die auch in der herkömmlichen Oberfräse zum Einsatz kommen. Gleichzeitig können in einer Tischoberfräse aber auch Fräswerkzeuge eingesetzt werden, welche für die handgeführte Maschine zu gross sind. Weiter kann die Anschaffung eines passenden Schaft- fräsers, für die Bearbeitung von speziellen Profilen, erschwinglicher sein als die eines Kehlwerkzeuges.

Nicht nur für den Hobbykeller

Dass die Tischoberfräse in den Schweizer Schreinereien nicht öfter zum Einsatz kommt, liegt wohl auch daran, dass die Maschine eher dem Heimwerker als dem professionellen Holzverarbeiter zugeschrieben wird. Dabei gibt es bei den Tischfräsen eine breite Angebotsspanne, und es findet sich für jeden Qualitätsanspruch das passende Produkt, ob die Maschine nun in einer Schreinerei oder in einem Hobbykeller stehen soll. In den Schweizer Webshops sucht man jedoch meist vergeblich nach Tischoberfräsen oder Einzelteilen für den Eigenbau. Markus Heini, Verkaufsleiter bei der Hasler + Co AG, bestätigt, dass die Maschine im Sortiment der Schweizer Maschinenhändler kaum anzutreffen ist. Sein Unternehmen habe sich bewusst dagegen entschieden. «Es gibt zwar einige Produkte ausländischer Hersteller für den professionellen Einsatz, vieles bewegt sich aber eher im Heimwerker-Bereich», sagt Heini. «Deshalb hat Hasler keine entsprechenden Maschinen oder Einzelteile im Sortiment.»

Nachfrage und EU-Richtlinien

Auch bei der Opo Oeschger AG klingt es ähnlich. So sei auch die Nachfrage auf dem Schweizer Markt nicht gross genug, damit die Maschinengattung ins Sortiment aufgenommen wird. Natürlich kann man sich hier fragen, ob mit dem betreffenden Angebot nicht auch die Nachfrage steigen würde. Laut Erich Kradolfer, Produktmanager bei Opo, gab es zuletzt aber auch eine Änderung in den EU-Richtlinien bezüglich des Wiederanlaufschutzes bei handgeführten Fräsen. «Diese Änderung führte dazu, dass der Einsatz von herkömmlichen Oberfräsen in einem Frästisch nun viel schwieriger ist», sagt Kradolfer.

Bei den neuen Oberfräsen können die Schalter nun nicht mehr arretiert werden. So wird verhindert, dass die Maschine nach einem Stromunterbruch ungewollt wieder anläuft. Bei Tischoberfräsen wird die Maschine aber meist durch einen zusätzlichen Sicherheitsschalter angesteuert. Mit dem Anlaufschutz funktioniert dieses System allerdings nicht mehr, und Oberfräsen sind so für den halb stationären Einsatz nicht mehr geeignet.

Oberfräse oder Fräsmotor

Das britische Unternehmen Trend hat auf die neue Richtlinie reagiert und liefert die Oberfräse «T14EK» mit einem zusätzlichen Schalter aus, mit welchem der Anlaufschutz beim Einsatz als Tischfräse «umgangen» werden kann. Der Schalter wird direkt am Handgriff angeschlossen und sorgt für eine normkonforme und sichere Bedienung im halb stationären Einsatz.

Die sogenannten Fräsmotoren dürfen weiterhin ohne Anlaufschutz gefertigt und verkauft werden, da die Maschinen nicht gedacht sind, um sie von Hand zu führen. Fräsmotoren zeichnen sich durch ihre stabförmige Bauweise aus und haben Leistungswerte zwischen 800 und 1800 Watt. So produzieren unter anderem die Schweizer Firma Suhner, die Firma Mafell oder auch die Sauter GmbH solche Motoren. Die Fräsmotoren von Sauter und Mafell sind zudem mit einem Schnellspann-System erhältlich, was einen werkzeuglosen Fräserwechsel ermöglicht. Per Hebel kann der Fräser aus- oder eingespannt werden.

Lift für die Oberfräse

Bei herkömmlichen Oberfräsen kann die Höhenverstellung grundsätzlich über die Säulenführung geschehen. Es gibt aber diverse Produkte, welche die Verstellung vereinfachen. Der Oberfräsentisch kann auf einen Oberfräsenlift geschraubt und so präzise in der Höhe verfahren werden. Dies ermöglicht eine Bedienung von oben oder der Seite, damit nicht immer unter den Maschinentisch gegriffen werden muss.

Wenn hingegen ein Fräsmotor verwendet wird, braucht es in jedem Fall einen Lift für die Höhenverstellung. In den Webshops von Sauter, Dictum oder Dieter Schmid Werkzeuge finden sich Oberfräsenlifte in verschiedenen Bauformen. Preislich bewegen sich die Produkte zwischen 200 und 700 Euro. Was dem Schreinerauge auffällt, ist der hochwertige Eindruck der Bauteile aus eloxiertem Aluminium bei den teureren Modellen.

Die Fräshöhe lässt sich meist von oben über einen Steckschlüssel einstellen. Der Verfahrweg beträgt je nach Modell bis zu 100 mm. Bei herkömmlichen Oberfräsen liegt der Fräshub in der Regel zwischen 50 und 80 mm. Zudem verfügen manche Lifte über attraktive Zusatzfunktionen. So lässt sich beispielsweise beim «OFL 3.0» von Sauter die Motoreinheit von –5 bis +50 Grad schwenken. Mit wenigen Handgriffen kann so eine schräge Nut gefräst oder der Winkel einer Profilfräsung verändert werden.

Komplettset oder Einzelteile

Damit an der Maschine effizient und vor allem sicher gearbeitet werden kann, braucht es auch bei der Tischoberfräse ähnliches Zubehör wie bei einer Kehlmaschine.

Vom Kehlanschlag, über den Schiebeschlitten mit Winkelanschlag bis hin zum Seiten- und Niederdruck findet man, insbesondere in den deutschen Online-Shops, alles.

Wer keine Einzelteile bestellen möchte, kann auch ein vorkonfektioniertes Sys- tem auswählen. So kann bei Dictum das Frästischgestell von UJK bestellt werden. Der Maschinentisch besteht aus einer Gusseisenplatte. Dessen Gewicht sorgt für Stabilität und reduziert die Schwingungen, die beim Fräsen entstehen. Im Preis von rund 1000 Euro ist ein Kehlanschlag und Schiebeschlitten mit verstellbarem Winkelanschlag dabei. Oberfräsenlift und Fräsmotor müssen allerdings einzeln dazubestellt werden.

Der Sauter-Frästisch hingegen ist unter anderem auch als All-inclusive-Paket erhältlich. Gestell, Lift, Motor und Zubehör sind dann im Set dabei. Der Kunde kann aus verschiedenen Kombinationen und Grössen wählen. Die kleinste Ausführung kostet rund 1800 Fr. In der Schweiz können die Sauter-Tische unter www.werchzueglade.ch bestellt werden. Das Unternehmen mit Sitz in Neftenbach ZH führt einen reinen Online-Handel und vertreibt zahlreiche Produkte zum Thema Tischoberfräse. Wie das Unternehmen sagt, richtet sich das Angebot zwar an den Heimwerker. Im Sortiment finden sich aber auch Elektrowerkzeuge der Marken Bosch, Makita oder Dewalt, welche dem Schreiner wohlbekannt sind.

Im Handumdrehen in Position

Seit über 20 Jahren fertigt die Firma Ruwi Fräs-, Hub- und Bohrtische für Schreinereien und die Holzindustrie. Das Unternehmen aus dem Schwarzwald ist vor allem bekannt für seine konfigurierbaren Frästische. Bei einer Tischoberfräse verrichtet normalerweise ein einzelner Motor seinen Dienst. Der Ruwi-Frästisch kann in der Premium-Version jedoch mit bis zu zehn Motoren bestückt werden. So kann wertvolle Rüstzeit eingespart werden, indem verschiedene Fräser eingespannt bleiben. Sprichwörtlich im Handumdrehen werden die Werkzeuge in Position gebracht. Über einen Exzentergriff wird das Fräsaggregat in der Höhe verstellt. Dabei kann für jede Einheit einzeln eine fixe Endposition definiert werden. So lassen sich beispielsweise Rundungen und Fasen wiederholt gleich bearbeiten. Fräser und Werkzeug finden Platz in einer Ablage unter der hochklappbaren Arbeitsfläche.

Mit dem optional erhältlichen Zubehör können ebenso geschweifte Werkstücke oder mit der 3D-Einheit sogar Krümmlinge bearbeitet werden. Die Maschine benötigt lediglich einen Stromanschluss mit 230 V.

Schweizer Handelspartner der Firma Ruwi ist die Arthur Bründler AG. Wie das Unternehmen aus Ebikon LU schreibt, werden in der Schweiz jährlich zwischen 10 und 20 Maschinen verkauft. Eingesetzt werden die Ruwi-Fräsen nicht nur von Schreinereien, sondern auch von Theatern oder Schulen. Die Tischoberfräse gibt es in der Basisausführung mit einem Fräsaggregat für 3300 Fr. Die Premium-Version mit zehn Aggregaten kostet 12 500 Fr. An der Ligna im Mai dieses Jahres möchte Ruwi eine neue Version der Fräse vorstellen. Diese soll über stärkere Motoren verfügen und die Möglichkeit bieten, Fräser mit 12 mm Schaftdurchmesser einzuspannen. So sollen auch grössere Werkzeuge auf der Tischfräse verwendet werden können.

Do it yourself

Wer sich eine Tischoberfräse von Grund auf selbst bauen möchte, sollte wissen, dass dies etwas Zeit in Anspruch nehmen könnte. Die Auswahl an Produkten ist gross, und man kann schon mal die Übersicht über Vor- und Nachteile der verschiedenen Angebote verlieren. Mit etwas Geduld und Enthusiasmus können jedoch Maschinen entstehen, die auf die individuellen Bedürfnisse des Erbauers abgestimmt sind. Dass die erbauten Tischoberfräsen nicht nach Hobbykeller aussehen müssen, zeigt das nachfolgende Beispiel.

Allerdings gelten auch bei solchen Maschinen der Marke Eigenbau dieselben Sicherheitsvorschriften wie bei der Kehlmaschine oder Oberfräse. So kann dann aber an der Tischoberfräse auch gearbeitet werden wie an ihrem grossen Vorbild.

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